Ein Buch das Aufsehen erregte, und dies ist nicht sonderlich erstaunlich, wenn ein Thema aufgearbeitet wird, das emotional geladen ist, gesellschaftlich immer kontrovers diskutiert wird, und nicht zuletzt politische Konnotationen, Untertöne und Anklänge erste Güte aufweist.
Die Autoren sind politisch engagiert, das ist gewußt und demnach auch kein Geheimnis, wenn sich ein Leser auf die Lektüre dieses Sachbuches einlässt.
Es interessierte zunächst welches Referenzsystem dieser Analyse der historisch gewachsenen als auch derzeit konstatierbaren Situation des Landes Luxembourg zugrunde gelegt würde. Wenn ich die Argumente der Autoren richtig verstehe, dann sind Sprache, Kirche, Monarchie Konzepte die unser nationales Werden bestimmen. Mir scheint aber als ob vorallem ein starker ökonomischer Trend unser Land neu entworfen hat: die Öffnung des Landes, die liberale Wirtschaftspolitik, das Ausnutzen der Nischen welche die nationale Souveränität uns zugestand, und mit diesen neuen Rahmenbedingungen änderte sich das Land (zugestandenermaßen) sehr schnell, nicht zuletzt seine Kultur, sein psychosoziales Wesen und das dazugehörige Wertesystem, die Zusammensetzung seiner Einwohnerschaft, und dergleichen mehr.
Am Beispiel der Sprachensituation kann man dann sehen, wie die neuen Begebenheiten (Grenzgänger, Einwanderer, Expats, Flüchtlinge), die Sprachenverhältnisse zu Ungunsten des Letzebuergeschen veränderten. Die Sprache wurde mitunter zum Opfer des nationalen wirtschaftlichen Erfolges. Und jeder der in der hiesigen Wirtschaft tätig war über die letzten 30 bis 40 Jahre hat diese Mutation live und in Farbe miterlebt.
Wer als Letzebuerger irgendeinmal ein-e französischsprachige Chef-in vorgesetzt bekam, wußte dass genau zu diesem Zeitpunkt eine unumkehrbare Zeitenwende eingetreten war. Von nun an war jeder gebeten in Französisch zu ‘parlieren’. Undemokratisch, sicherlich, aber die Erbsünde war viel früher getätigt worden, aber nie geahndet oder gesühnt worden.
Das Buch enthält interessante Analysen, liest sich fliessend, hat den Vorteil die Sicht auf die Entwicklung des Landes aus einer bestimmten Perspektive zu besprechen. Ob man mit allen identifizierten Ursachen oder Schlußfolgerungen einverstanden sein kann, hängt wohl vom eigenen Analysemodell ab, das wir u.a. bei Prof C D Kernig in Trier gelernt haben, und dieses Modell ist wissenschaftlich begründet in seiner Methode und führt auch zu belegbaren Erkenntnissen.
Ob die Auflösungserscheinungen der besprochenen Nation aufgehalten werden können, ist eher fraglich. Ein gewisser Opportunismus der mehr oder weniger im Konsens in dieser Nation gefunden wurde, (zumindest gab es keine bekannten Revolten welche die Entwicklung des Landes anfeindeten) hat dieses “Letzebuerg” des 21. Jahrhunderts hervorgebracht.
Und jetzt ein gewisses Wunschdenken zu stimulieren um “Sprache, Kirche und Monarchie” zu altem Glanz zurückzubringen, haftet dann doch etwas Wahnhaftes an.
Mit unseren Gästen aus der Grande Nation, die übrigens (so meine langjährige Erfahrung) es in ihrer nationalen Epigenetik nicht zu Wege bekommen, zumindest für sehr viele von ihnen, Letzebuergesch zu sprechen, und mithin dieser unserer Kampf als verloren erklärt werden muß, sollen wir uns dennoch eins sein, auf einem kleinst möglichen Nenner der Gleichung: “vouloir le beurre et l’argent du beurre” ist nicht lösbar.
Übrigens hisse ich nächstens in meinem Vorgarten ein blaue EU Flagge mit den gelben Sternen der Europäischen Union auf der einen Hälfte in welche ein LGBQT farbiger Regenbogen auf der zweiten Hälfte der Fahne eingefärbt ist. Diese Symbolik spiegelt viel mehr meine Anschauung wieder, und auch die gesellschaftliche Konstruktion in der ich mich, seit eh und je, wohler fühle.
Referenz:
Goodreads | Review – 18.10.2022
Keup, Fred, and Weidig, Tom Auteur. Mir Gi Lëtzebuerg Net Op : Auflösungserscheinungen Einer Kleinen Nation. Luxemburg: Fred Keup & Tom Weidig, 2022. Print.
Majerus, Stéphanie. “Der Untergang Des Gutlandes.” D’Lëtzebuerger Land (2022): D’Lëtzebuerger Land. – Luxembourg Jg. 69, Nr. 21 (27.05.2022), P. 7, Ill. Print.
Kayser, Guy. “Mir gin Letzebuerg Net Op – e Buch vu Fred Keup an Tom Weidig” gkonline (2022), (11.05.2022).