Anlässlich des diesjährigen Autistic Pride Day | 18. Juni 2023

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Stolz auf die autistische Vielfalt

Die Talente feiern und Herausforderungen überwinden: Hochfunktionale Asperger-Personen

Wer kann sich diesen kleinen Jungen vorstellen, Ende der 60-ziger Jahre gerade mal 6 Jahre alt geworden war, der keine Freunde hat, immer alleine spielt, schüchtern und zurückgezogen bleibt, ängstlich daherkommt, wenig spricht, wegläuft wenn das Telefon klingt, träumerisch wenn nicht gar nachdenklich in die Welt schaut, aber dann doch immer versucht, so wie es von ihm erwartet wird, artig und angepasst zu sein, wohl gute Miene zu machen wenn es Eltern, Lehrer*innen, allgemein  – die soziale Umgebung einfordert, dennoch bei alledem kein Bild eines glücklichen Jünglings abgibt.

Menschen, die diesen Jungen näher und mithin besser kennen, und die Erinnerung geht an eine ältere, weise Witwe (die liebe und unvergeßliche Mariänn), die sich sporadisch im Haushalt in dem der kleine Junge aufwächst zum ‘Zeruuchten’ einfindet, lassen sich zuweilen zu Kommentaren über das Verhalten dieses Sprößlings aus: So fragte die ältere Dame einmal rhethorisch: Ich würde noch gerne wissen und erfahren was aus diesem besonderen, aparten Jungen später im Leben wird. Er hat so eine hohe Stirn, ich denke solche Menschen sind sehr intelligent”. 

Und dann seine Hobbys: bevor er eingeschult wurde verbrachte er viel Zeit damit einen Blumengarten anzulegen und zu pflegen. Er sammelte Aprikosen-Kerne, und wilden Lupinen-Samen und es gelang ihm Pflänzlinge anzuzüchten, etwas was die Erwachsemen für sehr schwierig hielten. Vorallem die geometrisch und kreativ ausgedachten Beetanlagen stachen ins Auge. Zwischen zwei Pfosten der Einzäumung hatte er ein Brett angebracht mit einer im Holz ausgemeißelten Inschrift um  Besucher*innen seiner Anlage den Namen dieses Landschaftsarchitekten und GaLaBauers zu verraten.

Bei seiner lieben Großmutter warb er einmal um das Aushändigen einer Bienenwabe: denn gleich seinem Großvater müttlerlicherseits wollte er ein Bienenvolk hegen und pflegen. Von seinem Vater hatte er eine Holzkiste “ergaunert”, in diese brachte er Hangvorrichtungen an, und hing so die Wabe ein. Dann stellte er “seinen” Bienenstock in einem Gartenhangar auf, und wartete auf die Sonne um ihm das Schlüpfen der Bienenmaden über ihre abgegebene Wärme zu unterstützen. Die Idee war genial und naiv zugleich. Erwachsene die das ganze Ansinnen verfolgten, schüttelten den Kopf und zollten dennoch Respekt für soviel Ideenreichtum, Beharrlichkeit und blühende, wenn nicht gar naive Erwartungshaltung.

Und in der Zukunft erwies es sich, dass dieser Junge sehr intelligent war, in der Schule zuweilen ein Überflieger, aber auch dabei seine Eigenarten pflegte: Lesen und Notizen-Schreiben zu seinen Zeitvertrieben machte, obsessiv Bücher sammelte, Bibliotheken aufbaute, organisierte, umbaute, immer wieder neu ordnete und kategorisierte, auf sozialer Ebene, nach ein paar aufreibenden Erfahrungen (von erschöpfender Reizüberflutung) dann in der Folge Team-Sportarten mied, dafür aber ein besessener Radsportler wurde, dabei immer langere Einzelfahrten genoß, wobei er die Zeit der Fahrten für sich selbst genoß, als Sparring-Partner wohl gegen sich selbst fuhr, nicht zu letzt versessen, immer in Gedanken und Überlegungen, mit einem Beta-Gehirn das nicht abschalten kann. 

Wie gestaltet sich ein Leben, ohne feste Freunde, in der sozialen Isolation, bei einem jungen Menschen – intelligent aber wenig integriert, introvertiert und mithin kommunikativ gewiss reserviert, in einem gesellschaftlichen Umfeld in dem “jene die angeben, sicherlich mehr vom Leben haben”?

Jene die zurückgezogen leben, ausgefallenen Hobbies und Beschäftigungen nachgehen, nicht im Mainstream unterwegs sind, Discos und Bälle wie die Pest meiden, fallen nicht auf, stehen nicht im Rampenlicht, zählen nicht dazu, werden nicht mitgezählt, spielen keine wichtige Rolle.

Das Leiden eines neurodiversen Menschen kann anstrengend bis äußerst schmerzlich sein, ein Leidensweg für viele, mit Phasen von Depressionen, intensivem Stress und Angstzuständen, mit Burnouts bis Meltdowns. In einer Gesellschaft die offensichtlich alle ausgrenzt die nicht im “Mainstream”, also in der gesellschaftlichen Hauptströmung sich treiben läßt, den sozio-kulturellen Geschmack einer großen Mehrheit widerspiegelt, wird schnell als Sonderling angestempelt und auch so behandelt.

Dieses subtile Ausgrenzen heißt dann auch zugleich die Abwesenheit von Integration, Valorisierung der Talente und Fähigkeiten dieser neurodiversen Gruppen von Gesellschaftsmitgliedern. Allerdings liegt in diesen gesellschaftlichen Verhaltensmustern auch das Tragische: ein Verzicht auf alles was diese Menschen an großen, wertvollen Beitragen leisten könnten.

Ausgrenzend, subtil ausschließen, nicht zur Kenntnis nehmen, nicht einbeziehen, nur weil einer anders ist, und dabei doch vieles beitragen könnte zu Unterfangen, Projekten, als Teammitlgied in Wettbewerben. Ja, die Frage der besonderen Talente und Fähigkeiten dieser besonderen Gruppe von Gesellschaftsmitgliedern verdient eine andere Aufmerksamkeit: sie haben oft das Myers Briggs Persönlickeitsprofil INTJ oder INTP, sind in der wissenschaftlichen Literatur bezeichnet worden als “Architect” oder auch als “Mastermind” (Superhirn). 

Und diese Typen haben allerbestens einen Platz am Rande von Gruppen inne, machen (unberechtigterweise) neurotypischen Menschen Angst, werden falsch eingeschätzt, weil nicht verstanden, als gefühlskalt, überheblich, abgehoben, unnahbar, bis narzisstisch angesehen. Und all das bestätigt sich erstens nicht, und darüber hinaus wer neurodiverse Menschen richtig kennt, ist überrascht und nicht selten erstaunt über ein ungeschliffenes Juwel das sie entdecken.

2023 Autism Pride Day

Am 18. Juni eines jedes Jahres wird der Welttag der Autisten (“Autistic Pride Day”) begangen: es geht um ein Werben für Verstädnis, Toleranz und Menschlichkeit gegenüber neurodiversen Menschen. Und die Besinnung darauf, daß es eine Win-Win Gleichung gibt, mit etwas positivem gesellschaftlichen Umdenken und Wandel über Zeit.

Und eine letzte Überlegung zum Thema: An diesem Sonntag, 18. Juni 2023 wird weltweit der Autistic Pride Day begangen.

Statistisch gesehen kommt auf jeden 160. Einwohner 1 Mensch mit dem ASD (Autism Spectrum Disorder) | Asperger Syndrom. 

An diesem Tag (jährlich 18.06.2023) soll darauf aufmerksam gemacht werden, dass ASD | Asperger – keine Krankheit ist, sondern nur ein Andersein (“Neurodiversity”). Und die Opportunität darstellen zum Werben für Toleranz, Inklusion, von Zegen von gegenseitigem Respekt und Menschlichkeit, nicht zuletzt den Fokus auf den Umstand der Bereicherung (für unsere Gemeinschaft) durch diese Menschen legen.

Welche bekannten Menschen waren High-Functioning Autists (Asperger): in der Forschung – Albert Einstein, Marie Curie, Nikola Tesla, Blaise Pascal, Isaac Newton, und viele andere mehr. In der Kulturwelt: Andy Warhol, Woody Allen, Bob Dylan, Glenn Gould, Wolfgang Amadeus Mozart, Leonardo Da Vinci, Ludwig van Beethoven.


Referenzen:

My ASD child | The Potential Genius of Aspergers – Website mit einer Liste berühmter Persönlichkeiten aus Wissenschaft, Kultur und Medien, von denen angenommen wird, dass sie Asperger hatten. Um die Liste anzusehen, folgen Sie bitte diesem Link.

Die Bedeutung des Wortes aus dem Letzebuergeschen: “zeruuchten, zruuchten”: in: Luxemburger Worterbuch (Engelmann, Uni LU).

Scrabble Kacheln und Kreide auf blauem Hintergrund image by Polina Kovaleva via pexels.com

Weiße Scrabble-Kacheln auf blauem Hintergrund Bild image by Polina Kovaleva via pexels.com

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