Eine Zeit, die meinen Vater tiefgreifend geprägt hat und für sein Leben lang markierte: die Jahre des 2. Weltkrieges.
Er war erst 16 Jahre alt als der Krieg begann, mit 18 wurde er zum Reichsarbeitsdienst (RAD) nach Österreich (Salzburg und Reitdorf | St Johann im Pongau) befehligt. Anschließend nach einem Heimataufenthalt der Stellungsbefehl zum Kriegsdienst auf dem Balkan.
Dann kam die schwere, unsichere, lebensbedrohliche, mit kontinuierlicher Angst besessene Zeit der Kriegsdienstverweigerung, Fahnenflucht, Desertion und das Leben im Untergrund während dem verbleibenden Endabschnitt des 2. Weltkrieges.
Was er zuweilen uns erzählte, war eher ein Versuch, mit diesen dramatischen Ereignissen zurechtzukommen, als eine mündliche Chronik davon zu erstellen.
Nachdem er einen Stellungsbefehl bekommen hatte, und zu einem vorgegebenen Tag sich nach Roodt-Syre an den Bahnhof begeben sollte um dort einen Wehrmacht Transportzug nach Trier zu besteigen, wurde insgeheim ein Netzwerk von Helfern, Schleusern (“Passeurs”) und Schläfern der Resistenz aktiviert und Instruktionen zur Desertion und dem Ort des Unterschlupfes durchgestochen.
Wer etwas vom genauen Ort des Verstecks wusste, wurde mir nie klar, wahrscheinlich nur sehr wenige, allerhöchstens der engste Familienkreis; auszugehen ist von Vater und Mutter, darüber hinaus wäre es bereits brenzlig geworden.
Mein Vater war knapp 19 Jahre als er einberufen wurde: er erzählte mir, dass er mit einem Infanteriebataillon nach Serbien zum Kampf gegen die Partisanen gebracht werden sollte; für ihn und in seiner Sicht der Dinge “ein sicheres Todesurteil”, denn auf dem Balkan wütete ein erbitterter, blutrünstiger und erbarmungsloser Stellungskrieg.
So, dass es nur eine Möglichkeit gab, sein Leben (versuchen) zu retten: die Fahnenflucht. Am Tag an dem die Abfahrt mit dem Militärzug vorgesehen war, ging mein Vater seinem ausgetüftelten und mit dem Unterstützerkreis abgesprochenen Plan nach, der darin bestand Spione und Verräter (mehr als willige Informanten des lokal ansässigen Ortsgruppenleiters gab es dem Vernehmen nach viele), auf eine falsche Fährte zu leiten: er verließ das Dorf über die sogenannte Scheißgaass in Richtung “Beyren”, und seine Vermutung daß Aufpasser vermelden würden er sei wohl zu seinen Angehörigen nach Beyren in Versteck geflohen, ging dann auch auf. Denn nachdem er nicht zum Stellungsbefehl in Roodt-Syre erschienen war, wurde zeitnah in Beyren eine Gestapo geleitete Suchaktion gestartet.
Der Fahnenflüchtige war aber dort nicht anzutreffen. Anstatt über den “Kréiebierg” nach Beyren zu marschieren, war er über “Schack” hoch über das Plateau des Widdenberg bis über die “Gro’e Knuppen” in Banzelt marschiert, dann immer weiter durch Wälder, in Olingen den “Nurris”, in Richtung Berg, Wecker-Grund bis zum Schorenshaff. Dort warteten Beschützer, um ihn mit nach Manternach zu bringen und weitere Anweisungen über die Lokalitäten zu geben. Einer von Ihnen war “Dem” (Dominique Fohl) und auch der Familienname “Finsterwald” (Name eines engagierten Helfers) wurde immer wieder von ihm mit großem Dank und Respekt angeführt. Unversehrt erreichte er das stillgelegte Produktionsareal der Firma “Lamort”. Hier wurde in früherer Zeit Papier hergestellt, und neben dem Schloss, auf dem der Verwalter Jules Lefeber mit seiner Familie Unterkunft bezogen hatte, gab es eine ganze Reihe von Gebäuden auf diesem Gelände an der Syr. Die meisten davon standen leer. Eines dieser unscheinbaren Hangare war auserkoren worden, Kriegsdienstverweigerer und Resistenzler zu beherbergen.
Marcel Zeimet stieß zu dieser Gruppe von jungen Menschen aus der Region, allesamt Verweigerer des Dienstes an der Waffe als Zwangsrekrutierter der verhassten Wehrmacht und sollte viele Monate hier im Untergrund um sein Leben bangen. Denn Verrat, oder Razzien durch die Nazi-Schergen hätte die Verhaftung, sehr wahrscheinlich standrechtliche Erschießung bedeutet.
Als nach dem Krieg versucht wurde aktiv aufrichtige Menschen, stille Helden (ähnlich “Gerechte unter den Völkern”) zu identifizieren, die unter großer Gefahr für ihr eigenes Leben und das ihrer Familie, fahnenflüchtigen Kriegsdienstverweigern geholfen hatten, kamen im Fall meines Vaters folgende Namen auf die Liste:
Die Bewahrer des Lichtes – in einer Zeit der Dunkelheit. Mitglieder des Pantheons der Gerechten.
Jules Lefeber und seine Familie
‘Dem‘ (Dominique) FOHL, gebürtig aus Grevenmacherberg, landläufig besser bekannt als dem Ort namens “Potaschbierg”, lebte dort während der Zeit des 2. Weltkrieges – wohnte dann aber später bis zu seinem Tode in Munschecker. “Dem” Fohl war ein erfahrener und erfolgreicher Schleuser und in diesem Sinne ein couragierter Fluchthelfer, ein sogenannter “Passeur”, der in diesem, seinem lebensgefährlichen Engagement vielen Wehrdienst-Verweigern aus der Region verhalf, sich als sogenannte “Zwangsrekrutierte” des Nazi-Regimes, und spezifischer der Wehrmacht, dem Dienst an der Waffe zu entziehen.
Jos FINSTERWALD, gebürtig aus Kayl, während des 2. Weltkrieges wohnhaft in der “Héicht” in Flaxweiler.
Familie Glesener auf Beelener Haff (Junglinster)
Eine erste Erhebung war Ende der 60er Jahre vorgenommen worden, leider verschwand die “Fiche” mit den Erklärungen meines Vaters.
PS: Es wird versucht, die Liste weiter zu vervollständigen.
Erklärung zur Artikel-Illustration | Die Abbildung auf der Briefmarke, die durch die POST Luxembourg Customization Services herausgegeben wurde, zeigt Marcel Zeimet während des Zweiten Weltkriegs in Manternach in der Nähe des Schlass Lamort als Teil einer Gruppe von Untergrundkämpfern, allesamt Deserteure der Deutschen Wehrmacht, die sich in dieser Gegend versteckten (Manternach Jules Lefeber, Beelenerhaff Glesener – Junglinster).
Referenz:
“Ons Jongen a Meedercher“, Opfer des Nazismus, Victimes du Nazisme | Website gepflegt von der Fédération desEnrôlé(e)s de Force Luxemburg.
ZEIMET Marcel Personal Record in “Ons Jongen a Meedercher” | Datenbank-Eintrag auf “Eis Jongen a Meedercher”, Dossier und Ressourcen zum Arbeitsdienst RAD Salzburg und Reitdorf St Johann im Pongau, Untergrund Aufenthalt in Manternach Usines Lamort.